Zuweisung an eine Förderschule nach Inkrafttreten des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

Zuweisung an eine Förderschule nach Inkrafttreten des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
Anmerkungen zum Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12.11.2009 (NVwZ-RR 2010, 602)
Dr. Wolfgang Bott

Zum Sachverhalt
Eine Schülerin mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf (im Folgenden: Antragstellerin) hat sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vertreten durch Ihre Eltern gegen eine Einweisung in eine Schule für praktisch Bildbare mit der Begründung gewandt, dass aufgrund der Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (kurz: BRK) durch die Bundesrepublik Deutschland ihre Zuweisung an eine Förderschule gemäß § 54 Abs. 4 Satz 1 HSchG rechtlich nicht mehr zulässig sei. Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat mit Beschluss vom 21.9.2009 den Antrag zurückgewiesen, die dagegen erhobene Beschwerde hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 12.11.2009 (Az.: 7 B 2763/09) ebenfalls zurückgewiesen. Leitsätze1. Die Vertragsbestimmungen in Art. 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen - BRK - besitzen derzeit keine innerstaatliche Geltung, soweit sie den Bereich des öffentlichen Schulwesens betreffen.2. Das Vertragsgesetz des Bundes vom 21. Dezember 2008 hat für den Bereich des öffentlichen Schulwesens keine Umsetzung der Bestimmungen in Art. 24 BRK in innerstaatliches Recht bewirkt, weil dem Bund insoweit die an die Gesetzgebungszuständigkeit anknüpfende Transformationskompetenz fehlt.3. Eine gesonderte Umsetzung der das öffentliche Schulwesen betreffenden Zielvorgaben in Art. 24 BRK ist vom hessischen Gesetzgeber bislang nicht vorgenommen worden und braucht jedenfalls bis zum 26. März 2011 auch nicht vorgenommen zu werden.4. Die Bestimmungen in Art. 24 BRK erfüllen nicht die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendbarkeit, da es ihnen an der hierfür erforderlichen Bestimmtheit fehlt. Es handelt sich in weiten Teilen um Programmsätze, wobei die Art und Weise sowie die Geschwindigkeit der Realisierung den Vertragsstaaten überlassen bleiben. Aus den GründenDie Beschwerde sei zwar nach § 146 Abs. 1 VwGO zulässig, aber in der Sache unbegründet.Denn die mit Verfügung vom 16. April 2009 gemäß § 54 Abs. 4 Satz 1 HSchG ausgesprochene Zuweisung zu der vom zuständigen Staatlichen Schulamt ausgewählten Förderschule erweise sich als offensichtlich rechtmäßig, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit eine angemessene sonderpädagogische Förderung der Antragstellerin nur an einer Schule für praktisch Bildbare möglich sei und auch keine Verpflichtung des Antragsgegners zur Aufnahme der Antragstellerin als Schülerin mit sonderpädagogischem Förderbedarf in eine Regelschule bestehe.Denn aus der Ratifizierung der BRK durch die Bundesrepublik Deutschland könne nicht abgeleitet werden, dass seit diesem Zeitpunkt keine Zuweisungen an eine Förderschule gemäß § 54 Abs. 4 Satz 1 HSchG mehr zulässig seien.Zunächst folge eine Unvereinbarkeit der vom zuständigen Staatlichen Schulamt angeordneten Zuweisung mit Art. 24 BRK nicht daraus, dass die darin enthaltenen Regelungen als höherrangiges Bundesrecht den gesetzlichen Vorschriften in §§ 49 ff. HSchG vorgingen. Der Bund sei bei der innerstaatlichen Umsetzung von verbindlichen völkerrechtlichen Vertragsbestimmungen in Bundesrecht auf den Bereich seiner durch Art. 71 ff. GG zugewiesenen Gesetzgebungskompetenz beschränkt, der die in Art. 24 BRK enthaltenen Vertragsbestimmungen im Hinblick auf das öffentliche Schulwesen nicht unterfielen.Die BRK sei von der Vollversammlung der Vereinten Nationen am 13. Dezember 2006 beschlossen und von der Bundesrepublik Deutschland am 30. März 2007 unterzeichnet worden. Nachdem der Bundestag dem Übereinkommen mit Vertragsgesetz vom 21. Dezember 2008 (BGBl. II, 1419 ff.) zugestimmt habe und das Übereinkommen vom Bundespräsidenten ratifiziert worden sei, sei gemäß Art. 45 Abs. 2 BRK dieser völkerrechtliche Vertrag 30 Tage nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunde in Kraft getreten, in Deutschland sei dies am 26. März 2009 erfolgt. Mit dem Vertragsgesetz vom 21. Dezember 2008 habe die Bundesrepublik Deutschland das völkerrechtliche Übereinkommen verbindlich übernommen. Es sei damit gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG wirksamer Bestandteil des Bundesrechts geworden, soweit dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für die materiellen Regelungen zustehe, nicht aber für diejenigen Bestandteile des völkerrechtlichen Übereinkommens, die nach Art. 70 Abs. 1 GG dem Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder unterfielen. Denn Art. 32 Abs. 1 GG regele nur die Verbandskompetenz für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge, und Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG sehe hierzu verfahrensrechtlich die Beteiligung des Bundesgesetzgebers vor. Für die Umsetzung des Völkervertragsrechts in innerstaatliches Recht gelten indes ausschließlich die Regelungen in Art. 70 ff. GG. Soweit eine ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder bestehe, sei demgemäß dem Bund der gesetzgeberische Zugriff auf die betreffende Materie von Verfassungs wegen verwehrt. Dies gelte bezüglich Art 24 BRK für die darin enthaltenen Zielvorgaben für das öffentliche Schulwesen, die wie folgt lauten:Art. 24 Abs. 1 BRK:Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen.Art. 24 Abs. 2 BRK:Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass a) Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden …;b) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben; c) angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden; d) Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung gewährt wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu erleichtern; e) in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen Integration wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, angeboten werden.Art. 24 Abs. 3 BRK:Die Vertragsstaaten ermöglichen Menschen mit Behinderungen, lebenspraktische Fertigkeiten und soziale Kompetenzen zu erwerben.Nach dem englischen Wortlaut des Übereinkommens, der - im Gegensatz zur deutschen Fassung - gemäß Art. 50 BRK verbindlich sei, werde eine „inklusive“ (nicht wie in der deutschen Übersetzung „integrative“) Pädagogik angestrebt. In der Soziologie weise der Begriff der inklusiven Pädagogik gewisse konzeptionelle Unterschiede zur integrativen Pädagogik auf und fordere die Schaffung einer Schule, die die Bildungs- und Erziehungsbedürfnisse aller Schüler befriedige.Damit enthielten die Regelungen in Art. 24 BRK Zielvorgaben, die der Kultushoheit der Bundesländer gemäß Art. 70 Abs. 1 GG zuzuordnen seien. Diese Materie sei Gegenstand der Regelungen in den jeweiligen Schulgesetzen der Länder, in denen die Art und Weise des Schulangebotes für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu regeln sei. (in Hessen: §§ 49 ff. HSchG).Eine gesonderte Umsetzung der das öffentliche Schulwesen betreffenden Zielvorgaben in Art. 24 BRK sei in Hessen bislang nicht vorgenommen worden, wobei der HVGH offen gelassen hat, ob der hessische Gesetzgeber hierzu künftig verpflichtet sein würde.Denn eine Verpflichtung der Bundesländer, im Bereich ihrer Gesetzgebungskompetenz einen vom Bund nach Art. 32 Abs. 1 und Art. 59 Abs. 1 Satz 2 GG geschlossenen völkerrechtlichen Vertrag durch Erlass entsprechender landesrechtlichen Normen verbindlich umzusetzen, könne nur dann angenommen werden, wenn die Länder vor der Ratifizierung beteiligt worden seien und sie verbindlich ihr Einverständnis erklärt hätten. Nur dann bestehe eine Obliegenheit der Länder, die vor Abschluss des völkerrechtlichen Vertrages gegenüber dem Bund abgegebene Erklärung durch entsprechende landesrechtliche Gesetzesänderungen einzuhalten. Dem HVGH lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass das Land Hessen vor der Ratifizierung der BRK bindend sein Einverständnis zu der am 30. März 2007 paraphierten Fassung des Vertrages erklärt habe.Für den HVGH war indes diese Frage im konkreten Verfahren ohne entscheidungserhebliche Bedeutung, da jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Verletzung der Verpflichtung vorläge, den Inhalt des Übereinkommens durch Änderung des Hessischen Schulgesetzes in Landesrecht zu übernehmen. Eine Verletzung der Umsetzungspflicht komme nämlich erst dann in Betracht, wenn dem Bundesland für die zu erlassenden Normen ein angemessener Zeitraum zur Verfügung gestanden habe und nach Ablauf dieses Zeitraumes keine Umsetzung erfolgt sei.In entsprechender Anwendung des Art 35 BRK, nach dem die Vertragspartner die Maßnahmen zur Erfüllung des Vertrages innerhalb einer Frist von 2 Jahren umzusetzen hätten, stehe dem Land Hessen ein Zeitraum von 2 Jahren beginnend ab dem Inkrafttreten der Vereinbarung am 26. März 2009 zu, der damit am 26. März 2011 ende.Darüber hinaus könne aus dem Inkrafttreten des Übereinkommens auch nicht unmittelbar aus Art. 24 BRK die Rechtwidrigkeit einer Einweisung in eine Förderschule abgeleitet werden. Denn das Übereinkommen ist nach deutscher Verfassungslage als völkerrechtlicher Vertrag nicht geeignet, ohne Umsetzung die innerstaatliche Rechtslage zu gestalten, dies gelte nach Art. 25 Satz 1 GG allein für die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, nicht aber das Völkervertragsrecht.Ferner erfüllten die Bestimmungen des Art. 24 BRK auch nicht die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendbarkeit. Dies sei nur dann zu bejahen, wenn sie alle Eigenschaften eines Gesetzes nach innerstaatlichem Recht erfüllten wie Eignung nach Wortlaut, Zweck und Inhalt sowie hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit, um rechtliche Bindungen auszulösen. Hieran fehle es bei den Formulierungen des Art. 24 BRK, die zu ihrer Ausführung noch normativer Ausfüllung bedürften, da sie lediglich Zielvorgaben enthielten ohne eine bestimmte Art und Weise der Zielerreichung festzulegen.Ergänzend weist der HVGH darauf hin, dass sich die Vertragsstaaten nach Art. 4 Abs. 2 BRK hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte verpflichtet hätten, unter Ausschöpfung ihrer verfügbaren Mittel die Maßnahmen zu treffen, um nach und nach die volle Verwirklichung dieser Rechte zu erreichen. Insgesamt sei diese Verwirklichung der Rechte in Art. 4 Abs. 2 BRK auf eine mittelfristige Entwicklung angelegt, sodass eine unbedingte völkervertragliche Verpflichtung zur sofortigen und ausnahmslosen inklusiven Beschulung aller Schüler mit Behinderungen nicht zu erkennen sei. Die Vereinbarungen in Art. 24 BRK enthielten vielmehr proklamationsartig angelegte Ziele, die durch geeignete Maßnahmen zu erreichen seien, nicht aber dass bestimmte Rechtsfolgen unmittelbar nach Inkrafttreten des Vertrages eintreten sollten.Dieses Ergebnis werde auch durch die Regelungen in den Art. 31, 33 und 35 BRK gestützt, worin die Verpflichtung zur Sammlung geeigneter Informationen zur Umsetzung, zur Schaffung einer Durchführungs- und Überwachungsstruktur sowie zur Berichterstattung nach zwei Jahren geregelt werde.Nach alledem käme der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch auf Aufnahme in eine Regelschule ohne ein Widerspruchsrecht des Staatlichen Schulamtes erst dann in Betracht, wenn der Gesetzgeber die in §§ 49 ff HSchG enthaltenen Regelungen zur Förderung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf geändert und damit die politischen Programmsätze des Art 24 BRK in unmittelbar anwendbare Regeln umgestaltet habe.Schließlich würden die Vertragsbestimmungen in Art. 24 Abs. 1 und 2 BRK selbst im Fall ihrer Umwandlung in innerstaatliches Recht durch ein textgleiches Transformationsgesetz des Landesgesetzgebers Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf auch kein subjektives Recht auf einen inklusiven Unterricht an den öffentlichen Schulen vermitteln können.Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen enthalte im Wesentlichen die Einigung der Vertragsstaaten auf politische Programmsätze zur Verbesserung der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Die Art und Weise der Realisierung der formulierten Ziele und das Tempo bei ihrer Verwirklichung bleibe den Vertragsstaaten selbst überlassen. Damit komme dem Übereinkommen allein die Aufgabe zu, die Vertragsstaaten politisch auf die Verbesserung der Lebensverhältnisse von Menschen mit Behinderungen festzulegen, nicht aber, konkrete rechtliche Handlungs- und Verhaltenspflichten zu begründen.Lediglich ergänzend weist der HVGH darauf hin, dass der Mangel eines Willens zur Begründung einer Verpflichtung, alle Schüler ausnahmslos und sofort in Schulen mit einem inklusiven Bildungskonzept zu unterrichten, bei der Bundesrepublik Deutschland in den Anlagen zum Gesetzentwurf für das Vertragsgesetz zum Ausdruck komme. Dort heiße es in der beigefügten Denkschrift (BR-Drucksache 760/08 vom 17.10.2008, S. 48) zu Art. 4 BRK, dass das Übereinkommen keine subjektiven Ansprüche begründe. Diese ergäben sich erst aufgrund innerstaatlicher Regelungen.Des Weiteren führt der HVGH aus, dass sich auch aus Art. 5 BRK kein anderes Ergebnis ergebe. Zum einen seien die allgemeinen Regelungen zur Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung in Art. 5 BRK ebenso wenig wie die Bestimmungen in Art. 24 BRK für den Bereich des öffentlichen Schulwesens in Landesrecht transformiert worden. Zwar enthalte Art. 5 Abs. 2 BRK anders als Art. 24 BRK prinzipiell unmittelbar anwendbare Regelungen, indem darin ein allgemeines Verbot von Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen aufgrund ihrer Behinderung enthalten sei, was im Grundsatz eine subjektive Rechtsposition verleihe. Die Zuweisung eines Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf an eine Förderschule sei indes nicht zwingend eine Diskriminierung aufgrund von Behinderung im Sinne von Art. 2 BRK und verstoße damit auch nicht gegen das betreffende allgemeine Diskriminierungsverbot. Vielmehr könne eine solche Zuweisung - je nach Lage des Einzelfalles - eine besondere Maßnahme darstellen, die zur Beschleunigung oder Herbeiführung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen erforderlich sei und nach Art. 5 Abs. 4 BRK nicht als Diskriminierung im Sinne des Überreinkommens gelte. Zudem sei wegen der Sonderregeln in Art. 24 BRK hinsichtlich des Zugangs von Menschen mit Behinderungen zu den öffentlichen allgemeinen Bildungseinrichtungen ein Rückgriff auf etwaige Anspruchsgrundlagen im allgemeinen Teil des Übereinkommens nicht zulässig. Die Ausgestaltung des öffentlichen Bildungssystems werde nach Ablauf des den Vertragsstaaten eingeräumten Zeitraums für die Ausarbeitung der erforderlichen Normen und Verwaltungsstrukturen daher ausschließlich an diesen spezielleren Vertragsbestimmungen zu messen sein. Ferner sieht der HVGH in der Einweisung der Antragstellerin in eine Förderschule für praktisch Bildbare keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. Nach dieser Vorschrift dürfe niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Hieraus folge ein absolutes Differenzierungsverbot in Bezug auf eine Benachteiligung wegen einer Behinderung. Sie eröffne dem Betroffenen ein subjektives Abwehrrecht gegen eine verbotene Schlechterstellung oder gegen einen Ausschluss von Entfaltungsmöglichkeiten.Die Zuweisung eines Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf an eine Förderschule verstoße jedoch nicht in jedem Fall gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. Vielmehr sei das Differenzierungsverbot beachtet, wenn die Schulbehörde alle besonderen Umstände des Einzelfalles und die beteiligten Interessen hinreichend abgewogen habe und wenn der Ausschluss von der Regelschule hinreichend kompensiert werde durch auf die Behinderung bezogene Fördermaßnahmen. Hierzu habe die Schulbehörde die nach Lage des Falles gegebene Art und Schwere der Behinderung zu würdigen und die Gründe anzugeben, die die Einschätzung rechtfertigten, dass die Erziehung und Unterrichtung des Schülers mit Behinderung am Besten in einer Förderschule gewährleistet erscheine. Das zuständige Staatliche Schulamt habe sowohl in der Grundverfügung als auch in seinem Widerspruchsbescheid den sonderpädagogischen Förderbedarf der Antragstellerin umfassend dargestellt und darüber hinaus die nicht zu beanstandende Prognose getroffen, dass eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht für die Antragstellerin nur mit intensiver pädagogischer Betreuung in einer überschaubaren Lerngruppe möglich sein werde, nicht aber bei einer integrativen Beschulung in einer erheblich größeren Klasse einer Regelschule.Nach alledem könne eine Verpflichtung, jedem einzelnen Schüler mit Behinderung einen Platz an einer Regelschule zur Verfügung zu stellen, nicht aus den völkervertraglichen Bestimmungen abgeleitet werden, was zur Folge habe, dass keine Veranlassung bestehe, Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG in diesem Sinne auszulegen.Rechtliche WürdigungDie zentrale Aussage des Beschlusses des HVGH betrifft die sich an den Abschluss der BRK knüpfenden Rechtsfolgen oder Ansprüche für die einzelnen Menschen mit Behinderungen insbesondere bezüglich ihrer Beschulung in Regelschulen.Der HVGH stellt hierzu eindeutig fest, dass derartige Ansprüche zum Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht bestanden haben und bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist am 26. März 2011 auch nicht bestehen werden.Zur Regelung dieser Fragestellung wird der hessische Gesetzgeber bis zum Sommer 2011, d.h. rechtzeitig für die Regelung der Beschulung ab dem Schuljahr 2011/2012 eine veränderte Fassung des HSchG zu den Fragen der sonderpädagogischen Förderung und ihrer Umsetzung vorlegen, in der die landesrechtlichen Verpflichtungen aus der BRK aufgegriffen werden. Insoweit wird sich die vom HVGH als entscheidungsunerheblich offen gelassene Frage nach dem bindenden Einverständnis des Landes Hessen zur BRK vor deren Ratifizierung mit der Verabschiedung der Änderung des HSchG erledigt haben.Der HVGH hat darüber hinaus – und insoweit hat die Entscheidung über die Änderung des HSchG hinausreichende Bedeutung – festgestellt, dass auch bei Vorliegen eines Transformationsgesetzes keine uneingeschränkte Verpflichtung des Landes Hessen bestehen wird, allen Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf einen Schulplatz an einer Regelschule zur Verfügung zu stellen. Der HVGH weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass die Umsetzung der BRK auch unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit der erforderlichen Mittel stehe.Hieraus folgt, dass der hessische Gesetzgeber nicht verpflichtet sein wird, eine Regelung zu treffen, die jedem Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Beschulung an einer Regelschule ermöglichen wird, sondern nur im Rahmen der von ihm einsetzbaren Mittel.Es wird daher schon aus diesem Grund erforderlich sein, das vorhandene differenzierte Angebot an Förderschulen weiterhin vorzuhalten. Dies muss umso mehr gelten, als Eltern von Kindern mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf auch künftig berechtigt sein werden, für ihr Kind die Beschulung an einer seinen Bedürfnissen entsprechenden besonderen Förderschule zu wünschen und zu erhalten.FazitDie künftige Ausgestaltung der sonderpädagogischen Förderung wird aufgrund der Verpflichtungen der BRK insoweit zu Veränderungen führen, als die Angebote zur Beschulung an Regelschulen erheblich ausgeweitet werden müssen, um dem Geist der BRK und den daraus resultierenden Verpflichtungen entsprechen zu können. Ob damit jedoch ein in jedem Fall einklagbarer Anspruch auf Beschulung in einer Regelschule verbunden sein wird, darf nach dieser Entscheidung des HVGH bezweifelt werden.Hinweis: Der Nachdruck dieses in der Zeitschrift SchulVerwaltung Hessen/Rheinland-Pfalz 2011, S. 153 ff erschienen Beitrags erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Carl-Link-Verlages

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